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Warum muß man ein Motorradfahrwerk eigentlich einstellen, warum kann das nicht der Hersteller erledigen?
Eine Einführung. Ein paar grundsätzliche Dinge vorweg. Seit den dressiger Jahren ungefähr verfügen fast alle Motorräder über eine Federung vorn wie hinten. Was zu den Anfangszeiten des motorisierten Zweirads von vielen Skeptikern noch als “lebensgefährlicher Unsinn” bezeichnet wurde, erwies sich schnell – zunächst natürlich nur im Rennsport – als die bsete Methode, einem Motorrad ein anständiges Fahrverhalten beizubringen. Die nicht gefederten Motorräder hoben nämlich bei jedem Schlagloch – und davon gab es damals reichlich – mit den Rädern vom Boden ab, die Folge, dass man hier eher von Flug- als von Fahrverhalten reden musste. Von einer guten Straßenlage kann bei einem ungefederten Moped jedenfalls keine Rede sein. Ein Reifen, der nicht am Boden bleibt, liefert keine Haftung – so einfach ist das. Federn mussten also her – am Hinterrad geschah dies zunächst durch so genannte Geradweg-Federungen, doch schon bald übernahmen Hinterradschwingen, wie wir sie auch heute noch kennen, das Kommando. Vorn probierte man es zunächst mit Telegabeln, die aber wegen noch nicht ausgereifter Fertigungsmethoden nicht richtig funktionierten, vertrödelte ein paar Jahrezehnte mit Trapezgabeln, gezogenen und geschobenen Schwingen, bis dann BMW in den dreiziger Jahren die Telegabel endlich zum Funktionieren brachte.

Schon bald nach der Einführung der ersten gefederten Fahrwerke war auch klar, mit einer Federung alleine geht`s nicht. Denn eine Feder schwingt nach einer Anregung – einem Schlagloch zum Beispiel – bekanntlich fröhlich auf und ab, wenn sie nicht durch irgendeine Art von Dämpfung daran gehindert wird. Am Anfang dienten als Dämpfung einfache Reibscheiben, die mechanisch gegeneinander verspannt wurden und die Auf- und Abbewegung von Schwinge oder Gabel hemmten. man gelangte schließlich zu hydraulischen Dämpfungen, wie wir sie heute im Prinzip immer noch kennen. Bei dieser Technik wird Hydrauliköl innerhalb von Gabel oder Federbein während der Bewegung durch eine enge Bohrung gepresst, was bei dickflüssigem Oel einigermaßen schwer geht und so das Auf und Ab von Gabel oder Federbein dämpft.
Ein Motorrad hat also eine Federung und eine dazu passende Dämpfung – beide Systeme werden bei der Konstruktion des Motorrads auf dieses speziell abgestimmt und sollten theoretisch funktionieren – tun sie aber nicht immer, bei Licht betrachtet sogar eher selten. Warum ist das so?

fahrwerk

Nun, im Vergleich zu einem Auto ist ein Motorrad zunächst mal relativ leicht, das Gewicht des Fahrers spielt beim Auto in Sachen Fahrverhalten keine spürbare Rolle, während der Unterschied zwischen einem kleinen, leichten Piloten und einem großen, schweren bei einem Motorrad durchaus zu spüren ist. Ganz erheblichen Einfluss auf das Fahrverhalten hat die Mitnahme eines Sozius und jede Art von Gepäck. Hält man sich mal die Tatsache vor Augen, dass viele Motorräder noch einmal ihr gesamtes Leergewicht an Zuladung mitschleppen dürfen, dann wird schnell klar, dass das Beladen beim Fahrverhalten eine “gewichtige” Rolle spielt. Der Hersteller muß also bei der Abstimmung einen Kompromiss eingehen – einen Mittelweg finden zwischen einer für schwere Fahrer zu weichen Abstimmung und einer für leichte Piloten zu harten.

Warum aber reagieren Motorräder so sensibel auf Beladung beziehungsweise auf nicht korrekt eingestellte Federelemente? Nun, bekanntlich wird das Fahrverhalten im Wesentlichen – insbesondere der Geradeauslauf und die Handlichkeit – von drei Faktoren bestimmt: Radstand, Leitwinkel und Nachlauf. Der Hersteller des Motorrads hat sein Fahrzeug natürlich für sicheres und gutes bei einem bestimmten Radstand, Nachlauf und Lenkwinkel optimiert. Weichen die tatsächlichen Maße im Fahrbetrieb vom Ideal ab, so ist in der Regel auch das Fahrverhalten nicht mehr optimal.

Beispiel:
Bei schwerer Beladung des Hecks passiert mit unseren drei Größen folgendes: Der Radstand wird länger, weil sie die ganze Fuhre ja praktisch nach hinten neigt, wodruch der Lenkwinkel flacher wird und das Vorderrad praktisch ein paar Zentimeter nach vorne wandert. Den in diesem Fall flacheren Lenkwinkel haben wir schon angesprochen, das hat zudem noch zur Folge, dass der Nachlauf länger wird. Auf das Fahrverhalten hat das folgende Auswirkungen: Längerer Nachlauf bedeutet in der Regel besserer Geradeauslauf und schlechteres Handling, flacherer Lenkwinkel und längerer Nachlauf gehen in die gleiche Richtung. Bei einer derartigen Beladung aber passiert noch etwas: der Schwerpunkt wandert nämlich nach oben und nach hinten, was gerade bei hohen Geschwindigkeiten das Vorderrad deutlich entlastet und somit zu dem berüchtigten Hochgeschwindigkeitpendeln führen kann. Diese Schwerpunktverlagerung kann man bei Mitnahme eines Passagiers oder einer Menge Gepäck nicht verhindern, die Auswirkungen durch korrekte Federungsabstimmung jedoch deutlich mildern. Dies ist nur ein Beispiel, warum eine individuelle Abstimmung des Fahrwerk wichtig und nötig ist.Motorrad in Normallage
Die drei Größen Radstand (1), Lenkwinkel (2) und Nachlauf (3) bestimmen entscheidend das Fahrverhalten eines Motorrads. Nur wenn sich das Fahrzeug auf dem vom Hersteller vorgesehenen Niveau befindet, entsprechen diese drei Größen dem vom Konstruteur vorgesehenen Optimum.

Zu viel Vorspannung hinten:
Das Motorrad steht hinten deutlich höher als es sollte (siehe Schatten), der Lenkwinkel (2) wird steiler, Nachlauf (3) und Radstand (1) kürzer. das führt zu einem sehr handlichen, aber eventuell auch instabilen und kippligen Fahrverhalten, der Geradeauslauf verschlechtert sich.

Hier nun noch einige Bilder zum Darstellen der Zusammenhänge:

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Zu wenig Vorspannung hinten:
Die Maschine steht mit dem Heck zu tief, der Radstand (1) verlängert sich, der Lenkwinkel (2) wird flacher, der Nachlauf (3) länger als vorgesehen. Die Maschine wird unhandlicher, lenkt nicht mehr so schnell ein, außerdem kann sich die Bodenfreiheit in Schräglage dramatisch verringern.

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Zu viel Vorspannung hinten:
Das Motorrad steht hinten deutlich höher als es sollte (siehe Schatten), der Lenkwinkel (2) wird steiler, Nachlauf (3) und Radstand (1) kürzer. das führt zu einem sehr handlichen, aber eventuell auch instabilen und kippligen Fahrverhalten, der Geradeauslauf verschlechtert sich.

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Zu wenig Vorspannung hinten:
Die Maschine steht mit dem Heck zu tief, der Radstand (1) verlängert sich, der Lenkwinkel (2) wird flacher, der Nachlauf (3) länger als vorgesehen. Die Maschine wird unhandlicher, lenkt nicht mehr so schnell ein, außerdem kann sich die Bodenfreiheit in Schräglage dramatisch verringern.

Basisarbeit
Bevor wir jetzt hingehen und das kleine Einmaleins der Fahrwerks-Abstimmung durchgehen, müssen wir uns zunächst mal um ein paar grundsätzliche Dinge kümmern, die ebenfalls das Fahrverhalten unseres Motorrads negativ beeinflussen können und die durch eine noch so gute Federungseinstellung nicht kuriert werden können.
Der wichtigste Punkt zu Beginn: Der Reifen-Luftdruck. Wer den Luftdruck in seinen Reifen bei normalem Gebrauch seines Motorrades nicht mindestens wöchentlich kontrolliert, der handelt schon beinahe fahrlässig. Denn auch bei modernen Motorradreifen kann es zu so genannten »schleichenden Platten« kommen, wenn die Luft nur ganz allmählich und unmerklich entweicht. Außerdem garantiert nur der korrekte, vom Hersteller empfohlene Luftdruck ein einwandfreies Fahrverhalten. Wichtig ist danach, dass die beiden Räder auch sauber hintereinander herlaufen. Besonders bei Motorrädern mit Kettenantrieb hat man schnell mal den Kettenspanner auf der einen Seite stärker angezogen als auf der anderen, was dazu führt, dass das Hinterrad dann schräg – manchmal mit dem bloßen Auge kaum sichtbar – in der Schwinge steht. Also, beim Kettespannen immer auf die Markierungen rechts und links auf der Schwinge achten.damit das Rad sauber fluchtet. Es kann aber auch vorkommen, dass diese Markierungen einfach nicht stimmen. Da hilft nur eines: die Flucht der Räder nachmessen. Dazu kann man zum Beispiel eine lange, gerade Latte nehmen, die man an Vorder- und Hinterrad vorbei anlegt. Dabei aber darauf achten,dass man die unterschiedliche Breite von Vorder- und Hinterrad durch ein kleines flaches Holzstück ausgleicht. Es gibt allerdings auch – zum Beispiel bei Hein Gericke – ein einfaches Messwerkzeug, mit dem man den Abstand zwischen Schwingen- und Radasche messen kann.

abstandmessen
Die Kontrolle der Hinterradflucht ist wichtig. Im Bild ein Messwerkzeug, wie es zum Beispiel bei Hein Gericke erhältlich ist. Mit dieser Lehre misst man auf der einen Seite des Motorrads den Abstand zwischen Schwingen- und Radachse und kontrolliert diesen dann auf der anderen Seite der Maschine.

Einfacher -wenn auch nicht ganz so genau – geht die Kontrolle folgendermaßen: Man stellt sich zirka fünf Meter vor das Vorderrad mit dem Rücken zum Motorrad, beugt sich nach vorn und blickt zwischen den eigenen Beinen durch in Richtung Vorderrad. Wenn ein Helfer nun das Vorderrad vorsichtig um seine Nulllage herum bewegt, kann man ganz gut erkennen, ob beide Räder sauber hintereinander herlaufen.

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Gute Lösung: Bei diesem Prismen-geführten Kettenspanner ist ziemlich sicher gewährleistet, dass das Hinterrad korrekt in der Schwinge sitzt.

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Billige Lösung: Bei vielen dieser einfachen Kettenspanner stimmen die Markierungen für die Radflucht nicht, hier sollte man die Position des Hinterrads kontrollieren.

Nächster Checkpunkt: Ein recht häufiger Grund für Unruhen im Fahrwerk ist die falsche Montage des Vorderrads. Beim Einbau unbedingt darauf achten, dass zuerst die Radmutter und die Radachse festgezogen werden, dann erst die Achsklemmung auf einer Seite der Gabel.

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Bevor man die Achsklemmung festzieht (im Bild rechts an der Gabel zu erkennen), sollte man die Maschine vorn ein-federn, damit die Gabelholme fluchten

Am besten ist es, man zieht zunächst die Radachse mit der großen Mutter fest, nimmt dann das Motorrad vom Ständer,federt es vorn ein paar mal kräftig ein und aus und zieht erst dann die Achsklemmung fest. Nur so ist gewährleistet, dass die beiden Gabelholme nicht unter Spannung eingebaut sind, was wiederum das Ansprechverhalten der Gabel deutlich verschlechtern würde.
Nächster Punkt – und ein ganz sensibler dazu: das Lenkkopflager. Recht häufig sind diese Lager bereits ab Werk sehr stramm eingestellt, was in der Regel zu einem sehr unpräzisen Einlenkverhalten führt. Klar, so ein Lenkkopflager darf kein Spiel haben, aber es darf aber auch auf keinen Fall zu straff angezogen werden.

lenkkopf
Bei mangelhafter Einstellung des Lenkkopflagers kann das Fahrverhalten deutlich leiden nicht zu locker, aber vor allem auch nicht zu fest ist hier die Devise.

Abgesehen davon, dass bei einer zu straffen Einstellung das Lager selbst sehr schnell in Mitleidenschaft gezogen wird, leidet wie gesagt auch das Fahrverhalten. Für eine korrekte Einstellungsollte man sich mal Zeit nehmen und sämtliche Züge und Kabel vom Lenker entfernen – also im wesentlichen die beiden Lenkerarmaturen rechts und links abnehmen. Jetzt wird das Lager gelockert, bis man unten an der Telegabel ein deutliches Spiel wahrnehmen kann. Jetzt vorsichtig wiederfestziehen, bis soeben kein Spiel mehr fühlbar ist. Nun nimmt man den Lenker an einem Ende zwischen Daumen und Zeigefinger und bewegt das Lenkerende vorsichtig ein paar Millimeter vor und zurück. Auf diese Weise kann man bei ganz kleinen Bewegungen die Reibung im Lager ganz gut spüren. Meist kann an diesem Punktdas Lenkkopflager wieder ein wenig gelockert werden, um so die Losbrechkraft im Lager zu verringern.

Noch ein wichtiger Punkt; die Räder. Gerade bei älteren Drahtspeichenrädern kann es vorkommen,dass sich die eine oder andere Speiche lockert und die Felge einen leichten Schlag bekommt. Das kann auch bei Gussrädern vorkommen – etwa nach dem Überfahren einer Bordsteinkante -, mit dem Unterschied, dass man Drahtspeichenräder richten lassen kann, Gussräder dann aber reif für die Tonne sind. Also: Bei aufgebocktem Motorrad – wohl dem,der einen Hauptständer hat- beide Räder von Hand drehen und auf korrekten Rundlauf checken. Dazu zum Beispiel einen Schraubendreher an Schwinge beziehungsweise Telegabel anlegen, dessen Spitze auf die Felge zeigt. So kann man beim Drehen des Rades sehr schnell eine unrunde Felge entdecken. Dreht man die Räder mit der Hand durch, sollte man auch gleich die Radlager kontrollieren: Ist beim Drehen ein schabendes Geräusch hörbar oder ein Kratzen spürbar, dürften die Radlager beschädigt sein. ( Vorsicht nicht verwechseln mit dem Scharben der Bremsanlage) Das kommt zum Glück heutzutage so gut wie nie vor.

Hat man bereits Probleme mit dem Fahrwerk, stehen noch weitere Punkte auf dieser Checkliste: Schwingenlager und sämtliche Lagerstellen eines eventuell vorhandenen Hebelsystems zwischen Federbein und Schwinge. Das Schwingenlager lässt sich noch recht einfach kontrollieren: Kann man bei ausgebautem Hinterrad die Schwinge fühlbar von rechts nach links bewegen – auch wenn’s nur ein Millimeter sein sollte -, dann sind die Schwingenlager hin oder müssen – bei Kardanmaschinen zum Beispiel – nur neu eingestellt werden. Hat man jetzt das Hinterrad schon mal ausgebaut, kann man auch das Spiel im Hebelsystem recht sicher diagnostizieren: Lässt sich nämlich das hintere Ende der Schwinge mit relativ wenig Kraftaufwand ein paar Millimeter auf- und abbewegen, ohne dass sich das Federbein selbst bewegt, dann ist garantiert irgendwo ein Lager im Hebelsystem Schrott. In diesem Fall kommt man um den Kauf neuer Lager oder sogar eines Kompletten Hebelsystems kaum herum. Teure Geschichte, aber wie gesagt: Wenn an diesen Stellen nicht alles in Ordnung ist, kann man sich jede weitere Abstimmungsarbeit auch gleich schenken.

Als nächstes steht eine Sichtkontrolle von Federbein und Telegabel auf dem Programm: Sollte bereits Ölnebel an Standrohr oder Dämpferstange sicht-bar sein, ist Ersatz fällig. Im Falle der Telegabel reicht meist ein Tausch der Simmerringe, beim Federbein wird in der Regel ein komplett neues benötigt, es sei denn, man verwendet bereits ein Zubehör-Federbein von Öhlins, Wilbers, White Power oder anderen Herstellern, die meist beim Hersteller oder Importeur repariert werden können.

Noch ein letzter Punkt: Besonders bei älteren Motorrädern kann es vorkommen, dass sich die Motorhalteschrauben mit der Zeit losvibrieren. Also – bei vorhandenen Fahrwerksunruhen ruhig auch mal einen Blick auf sämtliche Motorbefestigungen werfen, denn bei den meisten Fahrwerken tragen die Motoren einen großen Anteil zur Stabilität des gesamten Chassis bei.

chassis
Wer Probleme mit instabilem Fahrverhalten hat, sollte auch mal die Motorhalteschrauben kontrollieren. Der Motor trägt viel zur Stabilität des Chassis bei.

Eine Frage des Niveaus
Wenden wir uns, nachdem wir nun alle möglichen Fehlerquellen am Fahrwerk kontrolliert haben, der eigentlichen Einstellung der Federelemente zu. Der wichtigste Schritt ist dabei die Einstellungdes Niveaus. Denn nur, wenn hier alles stimmt, wird das Motorrad so fahren, wie sich das die Herren Konstrukteure ursprünglich mal gedacht haben. Was aber verstehen wir an dieser Stelle unter Niveau? Dass ein Motorrad in die Federn sackt, wenn es vom Ständer genommen wird, haben wir sicher alle beim ersten Kontakt mit einem motorisierten Zweirad sofort bemerkt. Durch das Eigengewicht der Maschine werden die Federn vom und hinten bereits ein Stück weit zusammengedrückt – die Maschine steht praktisch auf den Federn und pendelt sich auf einem gewissen Höhenniveau über der Fahrbahn ein. Im englischen Sprachraum bezeichnet man dieses Niveau ziemlich treffend als »Ride Hight« -Fahrhöhe.

Klar.dass ein gewisses Maß des Federwegs quasi nun bereits aufgebraucht ist, der Weg, um den die Maschine vorn und hinten eingesackt ist, bezeichnet man als Negativfederweg, den bis zum Anschlag noch zur Verfügung stehenden Weg logischerweise als Positivfederweg. Zur groben Orientierung sollte das Verhältnis von Negativ- zu Positivfederweg zirka ein zu zwei Drittel betragen. Beispiel: Ein Motorrad mit 120 Millimeter Federweg vorn und hinten sollte also im fahrbereiten Zustand – also inklusive Besatzung und eventuellem Gepäck – um ein Drittel des Gesamtfederwegs, in diesem Falle also 40 Millimeter einsacken. Dies als große Richtlinie, die idealen Werten können im Einzelfall geringfügig von dieser abweichen.
Wie sensibel dieses Thema ist, kann man schon daran erkennen, dass die Grand-Prix-Rennfahrer ihre Fahrwerke für Training – wenn mit leerem Tank, also leichterem Motorrad, gefahren wird – und Rennen – zunächst voller Tank, schwereres Motorrad – in Sachen Federn anders abstimmen.
Es sollte jetzt also auch klar sein, dass man die Einstellung der Federung immer abhängig von der Beladung vornehmen muss, schließlich sackt die Maschine ja mit einem Sozius besetzt zumindest hinten weiter ein als bei Solobetrieb. Es ist sicher ein manchmal recht mühevoller Vorgang, bei jedem Beladungswechsel eine Neuanpassung der Federung vornehmen zu müssen-, wenn man das Optimum von seinem Fahrwerk erwartet, bleibt jedoch keine andere Wahl.
Wie aber stellt man das Niveau ein? Nun, für diesen Fall verfügen fast alle Motorräder zumindest für das oder die Federbeine hinten über eine einstellbare Federvorspannung. Wie der Name schon sagt, wird mit dieser Einstellmöglichkeit jedoch nicht – wie vielfach angenommen wird die Federhärte verändert, sondern lediglich die Vorspannung der Feder. Man hebt das Motorrad mit dieser Einstellung praktisch an oder senkt es im umgekehrten Falle ab. Auf die Federhärte hat diese Verstellung keinen Einfluss.
Zur Einstellung geht man folgendermaßen vor -am einfachsten ist es, wenn man einen Helfer hat: Man markiert am Rahmenheck und an der Schwinge je einen Punkt – mit einem Filzstift zum Beispiel – und misst bei vollständig ausgefedertem Motorrad den Abstand zwischen diesen beiden Markierungen. Nun sollte die Besatzung Platz nehmen – das Motorrad muss natürlich vom Ständer genommen werden. Jetzt wird wiederum der Abstand zwischen den beiden Markierungen gemessen – die Differenz zwischen den beiden gemessenen Werten ist der Negativfederweg. Dieser sollte – wie schon gesagt – bei etwa einem Drittel des Gesamtfeder-wegs liegen. Stimmt der Wert nicht, wird nun die Vorspannung des Federbeins so lange verstellt, bis man auf einen etwa passenden Negativfederweg kommt.

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Für die Ermittlung des Negativfederwegs hinten wählt man zwei Punkte an Rahmenheck und Schwinge und misst zunächst bei entlasteter Maschine.

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Anschließend misst man inklusive Besatzung zwischen den gleichen Punkten: Die Differenz zwischen den Messungen ergibt den Negativfederweg.

Bei der Gabel geht man selbstverständlich ganz ähnlich vor: Man misst den Abstand zwischen zwei Punkten -zum Beispiel der unteren Gabelbrücke und dem oberen Ende des Tauchrohrs -bei ausgefedertem Motorrad und anschließend den Abstand zwischen den gleichen Punkten im eingefederten Zustand. Wieder ergibt die Differenz zwischen beiden Werten den Negativfederweg.

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Beim Messen des Negativfederwegs wird die Maschine zunächst ganz ausgefedert und die Distanz zwischen Gabelbrücke und Tauchrohr gemessen.

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Bei aufgessener Besatzung misst man erneut zwischen den gleichen Punkten: Die Differenz zur vorherigen Messung ergibt den Negativfederweg.

Leider gibt es bei vielen Motorrädern an der Telegabel keine Verstellmöglichkeiten für die Federvorspannung – insofern nützt einem die Erkenntnis an dieser Stelle zunächst mal herzlich wenig. Sollte das Motorrad vorn zu viel Negativfederweg haben – also zu tief stehen -, was leider relativ häufig vorkommt, kann man sich aber auch ohne einstellbare Vorspannung behelfen. Man organisiert sich ein paar Hülsen,die im Durchmesserdem Innendurchmesser der Telegabel entsprechen und deren Höhe jenem Maß entspricht, um das man das Niveau vorn anheben möchte. Diese Hülsen montiert man zwischen dem oberen Verschlußstopfen der Telegabel und der Tragfeder im Inneren des jeweiligen Standrohrs.

Wenn man bis hier hin alles richtig gemacht hat, sollte das Motorrad schon mal auf dem korrekten Niveau stehen. Eine Aussage darüber, ob die verwendeten Federn zu hart, zu weich oder genau richtig sind, lässt diese Messung im Stand leider nicht zu. Einen ersten Anhaltspunkt kann man mit folgendem Trick bekommen: Man nimmt die Maschine vom Ständer und drückt seitlich vom Tank stehend mit beiden Händen kräftig von oben auf das Spritfaß – am besten kurz vor der Sitzbank, etwa dort liegt meist der Schwerpunkt der Maschine. Beim kräftigen Drücken sollte die Fuhre nun sowohl vorn als auch hinten einigermaßen gleich weit einfedern. Wie gesagt: gleich weit, nicht gleich schnell. Denn meist spricht die Telegabel wegen der manchmal recht hohen Losbrechkraft zwischen Stand-und Tauchrohr ein bisschen schlechter und damit langsamer an als die Hinterradfederung. Federt jetzt die Maschine vorn und hinten gleich weit ein.hat man wenigstens schon mal die Gewähr,dass die Federung vorn und hinten einigermaßen harmoniert – ob das Ganze zu hart oder zu weich abgestimmt ist, kann jetzt nur noch der Fahrbetrieb klären.

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Durch Drücken auf den Tank kann man kontrollieren, ob die Federn vorn und hinten miteinander harmonieren. Die Maschine sollte vorn und hinten gleich weit einfedern.

Tipps dazu gibt’s in der Abstimmungstabelle am Ende der Seite. An dieser Stelle nur so viel: Sollte die Federung sich eindeutig zu weich anfühlen – gleich ob vorn oder hinten – hilft die Erhöhung derVorspannung nicht.
Noch einmal: Mit der Änderung der Vorspannung ändert man nur das Fahrzeugniveau, nicht die Härte der Federung. Sollten die Federn vorn oder hinten zu weich oder zu hart ausgefallen sein, hilft nur der Tausch gegen ein besser abgestimmtes Exemplar aus dem Zubehörhandel von etablierten Herstellern wie Baehr, Öhlins, Technoflex, White Power,Wilbers oder Wirth zum Beispiel.
Während man bei einer Telegabel ja relativ leicht und preiswert die Feder allein tauschen kann – das gesamte Dämpfungssystem verbleibt ja in der Gabel – gibt es für praktisch kein Serienfederbein eine alternative Feder – weder vom Hersteller selbst noch im Zubehör.So bleibt in einem Fall, wo die Feder zu weich ist – und das ist leider bei vielen preiswerten Mittel-klasse-Motorrädern der Fall – keine andere Alternative als der Gang zum Zubehörhandel, wo dann ein komplettes Federbein – also Feder samt Dämpfersystem erworben werden muß. Das aber hat dann wenigstens den Vorteil, dass man damit ein meist auch im Dämpferbereich besser abgestimmtes Exemplar erhält.

Aber wie gesagt: Wenn die Federrate nicht stimmt, gibt es keine andere Alternative als besser passender Ersatz – die Erhöhung der Vorspannung hilft hier nicht. Aber angesichtes besseren Fahrverhaltens sollte einem diese Investition nicht so schwer fallen.

Gedämpfte Bewegung
Wir haben es ganz zu Beginn dieses Fahrwerks-Führers bereits erwähnt: Die Bewegung der Federelemente muss gedämpft werden, damit die Maschine nicht haltlos auf- und abschwingt und den Fahrer so in Teufels Küche bringt. Gedämpft wird dabei sowohl die Auf- als auch die Abbewegung der Federung. Wobei das Einfedern -wenn also die Maschine vorn oder hinten in die Federn taucht – als Druckstufe, das Ausfedern als Zugstufe bezeichnet wird. Generell ist es so, dass die Zugstufendämpfung immer deutlich straffer ausgelegt ist als die Druckstufe.da letztere ja bildlich gesprochen mit der Feder zusammenarbeitet.

Soviel als Grundlage vorweg. Bevor man sich nun an die Einstellung der Dämpfung begibt, sollte man sich über ein paar Sachen klar werden: Erstens ist die Beurteilung der Dämpfung im Stand ausgesprochen schwierig und eigentlich nur von Experten, die schon auf eine Menge Motorräder gedrückt haben, einigermaßen zuverlässig zu leisten. Einen ersten Eindruck kann man aber auch als Laie bereits im Stand gewinnen. Zweitens: Selbst im Fahrversuch sind kleine Änderungen an der Dämpfung fast nicht zu spüren, dazu ist der Einstellbereich bei den meisten Seriendämpfern einfach zu klein. Hier heißt es also: Keine Scheu vor großen Schritten, ruhig mal die Dämpfung von ganz stark auf ganz schwach drehen. Das Motorrad wird immer noch sicherfahren, man bekommt aber wenigstens mal einen Eindruck, was Änderungen an der Dämpfung eigentlich bewirken. Drittens: Über die Einstellung der Dämpfung muss man Buch führen. Allzu schnell hat man sich sonst im Dickicht der oft unzähligen Einstellmöglichkeiten verirrt und weiß nicht mehr, wo man eigentlich mal angefangen hat und welche Einstellung die beste war.

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Die Verstellmöglichkeiten an einer modernen Telegabel: Oben auf dem Verschluss- Stopfen findet man die Einstellschrauben für die Vorspannung (oberhalb der Sechskantmutter) sowie die Einstellschräubchen für die Zugstufe.

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Die Druckstufenverstellung findet man fast immer unten an der Gabel -hier auf der Rückseite unterhalb der Bremszangen.

Am Ende des vorangegangenen Kapitels haben wir bereits beschrieben, wie man die Harmonie der Federung vorn und hinten überprüfen kann – durch kräftiges Drücken auf den Tank. Dies ist auch ein ganz guter Einstieg für die BewertungderDämpfungscharakteristik. Achtet man beim kräftigen Drücken auf den Tank nämlich einfach mal auf die Einfedergeschwindigkeit vorn und hinten, bekommt man einen ersten Eindruck von der aktuellen Dämpfungsabstimmung. Federt die Maschine nämlich zum Beispiel vorn schneller ein als hinten, so ist das ein Zeichen dafür, dass die Dämpferdruckstufe hinten straffer ausgefallen ist als vorn. Federt sie an einem Ende schneller aus als am anderen, so ist dies ein Zeichen dafür, dass an diesem Ende die Zugstufe schwächer wirkt als am gegenüberliegenden Ende. Federt die Maschine an einem Ende nach? Dann ist die Dämpfung garantiert zu schwach.Oder kommt sie vorn oder hinten gar nicht mehr richtig hoch? Dann dürfte die Zugstufe dort schon mal deutlich zu straff ausgefallen sein.
Die Platzierung der Einstellschräubchen ist bei praktisch allen Motorrädern gleich oder zumindest ähnlich: Oben auf derGabel findet man neben der EinstellungderVorspannung auch die kleinen Schräubchen für die Dämpferzugstufe. Das ist nur in ganz seltenen Fällen anders – sicherheitshalber in der Betriebsanleitung nachschlagen. Die Druckstufeneinstellung findet man unten an der Gabel, meist auf der Rückseite unterhalb der Bremssättel. Bei den hinteren Federbeinen kann es mehr Variationsmöglichkeiten geben. Doch auch hier findet man die Zugstufe fast immer am unteren Ende, die Einstelleinrichtung für die Druckstufe oben am Ausgleichsbehälter. Sollte dieser nicht vorhanden sein, gibt’s in der Regel auch keine Druckstufen-Verstellung.

Bei der Einstellung der Dämpfung geht man zunächst von den Werkseinstellung aus – so sie noch vorhanden oder in der Betriebsanleitung der Maschine nachschlagbar ist. Bei fast allen Motorrädern werden die Einstellwerte von der maximal geschlossenen Position aus gezählt. Also: Von den Werkseinstellungen ausgehend zunächst Klick für Klick nach rechts drehen und dabei genau mitzählen. Zahl der Klicks notieren. Jetzt mal die Dämp fung vorn und hinten auf die jeweiligen Maximal- und Minimaleinstellung drehen und Gabel beziehungsweise Federbein kräftig zusammendrücken. Spürt man einen Untereschied?

Zur Grundeinstellung Zugstufe – zunächst vorn: Wenn man die Gabel kräftig zusammendrückt und gleich wieder ausfedern läßt, sollte sie ein paar Millimeter über die Ausgangslage zurückfedern, aber keines falls auf- und abschwingen. Logisch: Immer die Änderung an beiden Gabelholmen gleichmäßig vornehmen. Die Zugstufe kann durchaus etwas zu schwach dämpfen, das erhöht den Fahrkomfort oft deutlich, ohne allzu große Einbußen bei der Fahrstabilität mitzubringen. Ganz ähnlich geht man beim Heck vor: Maschine kräftig einfedern und gleich wieder loslassen, beobachten, wie das Heck ausfedert. Es sollte in einem Zeitraum von etwa einer Sekunde satt nach oben gehen, ohne jedoch deutlich an den Anschlag zu knallen.
Steckt das Heck spürbar tief in der Dämpfung fest, Zugstufe reduzieren, knallt es hingegen schlagartig nach oben, Zugstufe verstärken. Tipp: Auch hier kann !!! Zugstufe das Fahrverhalten deutlich beeinträchtigen. Das überdämpfte Ausfedern führt auf holpriger Fahrbahn zu einem tiefen Heck mit entsprechend unhandlichem und unkomfortablen Fahrverhalten.

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Die Verstellschraube für die Druckstufe findet man meist am Ausgleichsbehälter des Federbeins,

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die für die Zugstufe meist am unteren Ende.

Grundeinstellung
Druckstufe – wieder zunächst vorn: Die Druckstufeneinstellung im Stand ist deutlich schwieriger als das bei der Zugstufe der Fall ist. Hier hilft eigentlich nur der Fahrversuch. Eine mittlere Einstellung wählen und sehen, ob die Maschine beim harten Bremsen sehr weit eintaucht oder die Gabel gar fühlbar auf Block geht. Wenn das Vorrad beim Bremsen springt, ist auf jeden Fall mehr Druckstufe gefragt. Ähnlich schwierig ist die Druckstufenabstimmung am Heck: Der ungeübte Abstimmer kann kaum unterscheiden, ob der Widerstand, den ihm die Federung beim Herunterdrücken entgegensetzt, von der Feder, einer eventuell stark progessiven Hebelei oder einer straffen Druckstufendämpfung heerührt. Grundregel: Bei hoher Beladung braucht man auch eine straffe Druckstufe, die bringt Stabilität vor allem in Schräglage und verhindert das Durchschlagen des Hecks. Zu viel Druckstufe mündet unter Umständen in deutliches Lenkerschlagen auf unebener Piste.

Doch wie gesagt; Für eine gelungene Dämpferabstimmung braucht man den Fahrversuch. Details für das Fahrverhalten und die entsprechende Feder-und Dämpferabstimmung findet Ihr in der Tabelle:

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Falls dieser kurze Exkurs euch neugierig nach Mehr gemacht hat, empfehle ich euch das Buch von Werner Koch:
Neue Fahrwerkstechnik im Detail da wird dir geholfen :-)

Besten Dank an Werner Koch für die Erlaubnis zur Veröffentlich des Textauszugs.
Text und Bilder: Werner Koch und Benny Wilbers (www.wilbers.de)


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